Es waren Einsatzfahrzeuge der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) unterwegs. Das erste und letzte Fahrzeug hatte das Blaulicht eingeschaltet. An den Stoßstangen waren Flaggen aufgesetzt – unterschiedliche Farben. Die Einsatzkräfte des Ortsverbandes Weinsberg waren auf Kolonnenfahrt. Doch was bedeutet dies für die anderen Verkehrsteilnehmer?
Viele Verkehrsteilnehmer - ob hinter einem Lenkrad oder auf dem Gehweg - staunten nicht schlecht, als sich am Dienstagabend im Landkreis unterwegs waren: Helfer des THW-Ortsverbandes Weinsberg waren auf Übungsfahrt. Das Besondere daran: Sie fuhren als Kolonne im geschlossenen Verband. Für geschlossene Verbände gelten die für den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen. Die Paragraphen 27 und 29 der Straßenverkehrs-Ordnung und die Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung regeln die geschlossenen Verbände im Straßenverkehr.
„Verbände müssen erstens einheitlich gekennzeichnet und zweitens durch ihr Verkehrsverhalten als geschlossene Einheit wahrnehmbar sein“, wissen die beiden Verbandsführer Niklas Schüpbach und Sebastian Scholl. Dazu zählen verschiedene Anforderungen an die Fahrer der Einsatzfahrzeuge. „Sie müssen zum Beispielinnerorts dicht aufgeschlossen fahren, d. h., sie können und müssen so geringe Abstände einhalten, dass sie die Sicherheitsabstände gerade erreichen oder nur geringfügig überschreiten.“
Für die anderen Verkehrsteilnehmer muss natürlich ein Verband als solcher gekennzeichnet werden: Beim ersten und letzten Fahrzeug ist das Blaulicht eingeschaltet. Bei allen Fahrzeugen bringen die Fahrer vor dem Fahrantritt an den vorderen Stoßstangen beziehungsweise Kotflügeln blaue Flaggen an. Nur das letzte Fahrzeug führt eine grüne Flagge mit sich. Diese Farben haben im Übrigen nichts mit dem THW zu tun. Auch Polizei-, Feuerwehr-, Sanitätsdienst- und Bundeswehrkolonnen sind farblich so beflaggt. Niklas Schüpbach erwähnt Ausnahmen: „Sollte einmal ein Fahrzeug mit gelber oder roter Flagge auffallen, so sind dies Fahrzeuge, die eine Panne haben beziehungsweise von denen eine Gefahr (zum Beispiel auslaufender Kraftstoff) ausgeht.“
Zusätzlich informierte der THW-Fachmann Schüpbach über Sonder- und Wegerechte von Einsatzfahrzeugen, sowie allen rechtlichen und organisatorischen Grundlagen für eine Fahrt im Verband. Anschließend machten sich die Kraftfahrer mit fünf Fahrzeugen, darunter auch Lkw mit Anhänger, auf den Weg. Die beiden Ausbilder achteten genauestens darauf, dass die Beflaggung an den Fahrzeugen für einen Verband korrekt war. Nur so war ihr „Kolonnenvorrecht“ gegenüber allen anderen Verkehrsteilnehmern wirksam geworden.
Doch was bedeutet dies jetzt für die anderen Verkehrsteilnehmer? „Verkehrsrechtlich gilt die Kolonne als ein einziges Fahrzeug“, erklärt dazu Schüpbach und nennt als Beispiel: „Eine Kolonne darf also komplett bei Rot über die Ampel fahren, wenn das erste Fahrzeug sie noch bei Grün geschafft hat. Auch im Kreisverkehr, an Zebrastreifen und Kreuzungen oder beim Reißverschlussverfahren gilt: Die Kolonne darf stets zusammenbleiben. Das heißt auch: Ein Unterbrechen der Kolonne durch ‚Reinquetschen‘ sollte vermieden werden.“
Auf einer Strecke von 60 Kilometer bewegte sich die Kolonne dann an diesem Abend fort. Nach dem Start in Weinsberg ging es über Heilbronn und Untergruppenbach zur Autobahn und weiter Richtung Bretzfeld. Zwischendurch wurden immer wieder Stopps eingelegt, die dazu dienten, dass die Fahrzeugführer gewechselt werden konnten. „Die Fahrweise ist völlig ungewöhnlich“, weiß Sebastian Scholl, der selbst schon viele Jahre Einsatzfahrzeuge der Bundesanstalt lenkt. So seien etwa die Fahrer aufgrund der kurzen Distanz zum vorausfahrenden Fahrzeug besonders angespannt. „Deshalb sind solche praktischen Ausbildungen unwahrscheinlich wichtig“.
Aber auch den Verkehrsteilnehmer würden diese Ausbildungsfahrten in der Kolonne zugute kommen. „Wer noch nie einem Verband begegnet ist, der weiß im ersten Moment nicht, wie er sich verhalten soll“, hatte Scholl schon öfters die Erfahrung machen müssen. An diesem Abend jedoch lobt er das vorbildliche Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer. Sie hatten alle richtig reagiert.
Trotzdem: In den angefahrenen Orten und in den sozialen Medien sorgte die Kolonne der THW-Fahrzeuge kurzzeitig für Verwirrung. Viele stellten die Frage, was geschehen sei, weil die Einsatzfahrzeuge mit Sondersignal unterwegs waren. „Wir hoffen, dass sich dies schnell aufklärte und wir nicht allzu viele Menschen verwirrten“, so die beiden Ausbilder. Sie hatten die Abendstunden gewählt, da bekanntlich zu dieser Zeit der Verkehr auf den Straßen etwas ruhiger sei und es nicht beabsichtigt war, zusätzliche Risiken hervorzurufen.